26.04.2017

Tausende Narzissen bringen einen alten Steinbruch zum Leuchten

Der 'Blue Jardin des Vosges' / 'Jardin de Berchigranges' von Monique und Thierry Dronet

Michael Breckwoldt

Eine kurvenreiche Straße führt durch dunkle Fichtenwälder der Vogesen. Plötzlich öffnen sich die Hügel, junges frisches Grün erstrahlt und dazwischen flirren, fast unwirklich, gelbe und cremeweiße Farbflecken. Wie eine Fata Morgana erscheint der Jardin de Berchigranges im Frühling, wenn dort die Narzissen blühen und die Buchenhecken austreiben. Vom Eingang in den Garten aus überblickt man fast die gesamte Anlage. Auf einer Fläche von zwei Hektar dehnt sie sich in kleines hügeliges Tal hinein aus, das zu den Seiten hin leicht ansteigt.

Vor 20 Jahren begann das Ehepaar Monique und Thierry Dronet mit der Gestaltung dieses weitläufigen Areals, das rund zwei Stunden westlich von Freiburg im Herzen der Vogesen auf knapp 700 Meter Höhe liegt. Narzissen und Sträucher wie Magnolien und Zierkirschen säumen den Rasenweg zu dem blauen Wohnhaus aus Holz, das an einem Hang thront. Gleich neben dem Wohnhaus befindet sich die kleine Gärtnerei, „Un Jardin de Cottage“, die den Besuchern ein ausgewähltes Sortiment selbst kultivierter Pflanzen zum Kauf anbietet. Gerade sieht man viele getopfte Narzissen, unter ihnen auch die gefüllte weiß blühende Sorte ´Berchigrange`, die hier im Garten als eine zufällige Mutation, einem sogenannten Sport, der Sorte ´Thalia` entstanden ist.

Thierry begeistern die Frühlingsboten, die mit früh blühenden Sorten wie ´February Gold` und ´Ice Follies` den verblassenden Winter zum Leuchten bringen. „Als ich zum ersten Mal sah, wie die wilden Narzissen, vor allen die Art Narcissus jonquilla, hier in den Bergen die Wiesen in ein Meer gelber Blüten verwandelten, wollte ich ganz viele davon in unserem Garten haben“, erzählt er. Mittlerweile sind zu den heimischen Wildformen viele weitere Arten und Sorten hinzugekommen. Rund 60000 Narzissenzwiebeln in 450 verschiedenen Varietäten stecken schon im Boden und in jedem Herbst werden Hunderte neu gepflanzt. Thierrys Sammeleifer konnten auch Raritäten wie Narcissus rupicola nicht entgehen. Diese Art besitzt nur fingernagelgroße Blüten. Sie stammt aus dem Mittelmeerraum und muss daher frostfrei in einem Glashaus überwintern.

Die Begeisterung für Narzissen hat sich in vielerlei Hinsicht als Glücksgriff erwiesen. Einerseits kommen die meisten von ihnen gut mit dem feuchten Klima vor Ort zurecht. Sie vermehren sich kräftig im Boden. Darüber hinaus werden sie bekanntlich von Wühlmäusen gemieden. „Wir haben hier ein großes Problem mit diesen Nagern und konnten feststellen, dass wir uns mit Narzissen-Knollen dagegen wappnen können“, sagt Monique. „Jetzt sind sogar meine geliebten historischen Rosen geschützt, weil ich sie mit Narzissen umzingelt habe“.

Als Thierry Dronet einst den durch Geröll und Fichtenschösslinge unzugänglich gewordenen Steinbruch in Berchigranges entdeckte, ahnte er nicht, dass daraus einer der schönsten Gärten der Region werden würde. Während er allmählich das Stück Natur urbar machte, spürte der gelernte Frisör in sich eine tiefe Zufriedenheit. Er räumte Großteile frei, fällte Bäume, leitete Bachläufe um und ließ zahllose Kubikmeter Muttererde anliefern. Nur so konnten auf dem kargen Untergrund Beete und Hügel entstehen. Das anfallende Holz verarbeitet Thierry in einer eigens dafür errichteten Sägemühle. Schließlich fertigte er daraus Zäune, Sitzplätze und Bohlenwege.

Eines Tages traf Thierry dann auf Monique. Sie betrieb in der Nähe eine Gärtnerei, in der er Pflanzen kaufte. Die beiden verliebten sich, wurden ein Paar, verlegten die Gärtnerei in den ehemaligen Steinbruch und verwandelten diesen nun gemeinsam in ein blühendes Paradies. Monique unterteilte das gesamte Areal wie in britischen Gärten üblich in einzelne Bereiche. „Früher haben wir uns häufig in England inspirieren lassen“, erinnert sie sich. „Nie haben wir jedoch einen Plan gezeichnet. Unsere Ideen entstehen aus dem Bauch heraus und dann stimmen wir uns ab.“ Mittlerweile orientiert sich die Gestaltung noch stärker an den Gegebenheiten vor Ort. Dabei werden die vorhandenen Materialien durch alpine Wildpflanzen ergänzt, die gut mit dem sauren Boden zurechtkommen. Die so geschaffenen Szenen sollen vor allem die Sinne ansprechen.

Gartenbesucher werden zuerst vom Klang des Wassers in den Bann gezogen. Es gurgelt über Kieselsteine, plätschert an Stromschellen und klatscht in Kaskaden von Felsen herab. Dazu mischen sich Pflanzendüfte, Licht- und Schattenspiele sowie der Sound, der entsteht, wenn Schritte in der frühlingsklaren Luft über Holzschwellen oder Kies führen. Die meisten Menschen kennen diesen ganz außergewöhnlichen Ort als „Blue Jardin des Vosges“, weil Moniques und Thierrys Lieblingsfarbe Blau den Garten von Mai an dominiert. Im April ist das Stück Natur dort dagegen eine Zauberwelt aus Weiß und Gelb, die ebenfalls einen Abstecher wert ist.

Der Garten kann jedes Jahr zwischen April bis Oktober besucht werden. Infos unter: www.berchigranges.com