24.10.2013

Ein Rittergut wird zur Genießerfarm

Säfte und Weine aus traditionellen Tafeläpfeln, Würzkräuter, Basilikum, Chili, Peperoni und Tomaten

Michael Breckwoldt

In der Obstplantage unterhalb des imposanten Herrenhauses hängen jetzt leuchtend rote Äpfel an den Bäumen. Halb Ritterburg, Halb Jagdschlösschen erhebt sich das Gebäude aus dem Tal der Glatt am Nordzipfel des Schwarzwaldes. „Nachdem mein Urgroßvater, ein Pulverfabrikant in Rottweil und europaweit tätiger Unternehmer Ende 1800 das Rittergut Neunthausen gekauft hatte, intensivierte er, in den Obstbau", erzählt der Hausherr Bernd, genannt Moritz Neuner-Duttenhofer. Heute führt er das Apfelgut zusammen mit seiner Ehefrau Martina Meuth - allerdings nur im Nebenerwerb. Im Hauptberuf zählen die beiden zu den dienstältesten Fernsehköchen bzw. Köchinnen in Deutschland. Bekannt gemacht hat sie vor allem die vom WDR ausgestrahlte Sendung „ServiceZeit Essen und Trinken", heute „Kochen mit Martina & Moritz".

Das Gut liegt auf rund 450 Meter Höhe und damit an einer Grenze, die gerade noch den Anbau von Tafeläpfeln ermöglicht. Doch diese Höhe hat auch Vorteile. Nachts strömt kalte Luft aus den Hochflächen ins Tal. Sie sorgt für einen hohen Säuregehalt in den Früchten. Ihre gleichzeitige Süße erhalten sie dagegen durch die Wärme des Tages. Ähnlich wie im Weinbau kommt der starke Temperaturwechsel dem Aroma der Früchte sehr zugute.

Es ist heutzutage kaum noch möglich, solch einen Betrieb kostendeckend zu bewirtschaften. Als die beiden Kochspezialisten die Regie übernahmen, begannen sie daher aus den Äpfeln kulinarische Spezialitäten zu machen. Ein Beispiel dafür sind sortenreine Apfelsäfte, die aus den Früchten von Cox Orange, Boskoop, Glockenapfel und Elstar gepresst werden. Da man sie im Unterschied zu herkömmlichen Säften nicht pasteurisiert, sondern nach der Klärung kaltsteril filtert und mit Kohlensäure versetzt, schmecken sie nach frischen Äpfeln und heißen POMME-PURE. Auch an das Keltern von Wein haben die beiden Profis sich herangewagt. Eine Mélange süßaromatischer und säurereicher Tafeläpfel wie Jonagold, Glockenapfel, Golden Delicious und Berlepsch wird zu perlendem Apfelwein, sogenanntem POMME-SECCO vergoren. POMME-BRUT, ein Schaumwein aus den Schwarzwaldäpfeln Boskoop, Glockenapfel und Berlepsch wird nach der klassischen Champagnermethode zu einem fein-fruchtigen und eleganten Getränk ausgebaut. Für deutsche Kunden ist solch ein sorgfältig und reintönig ausgebauter Apfelwein noch gewöhnungsbedürftig, Franzosen und Italiener sind hingegen davon begeistert. Doch jeder kommt hier auf seine Kosten. Denn Brände, Gelees und Konfitüren bereichern ebenfalls das Sortiment - und das alles wird nicht nur aus Apfelprodukten kreiert. Das gesamte Beerenrepertoire haben die beiden kulinarischen Journalisten unter die Lupe genommen und zu Leckereien veredelt.

 

Im Nutzgarten finden sich noch die alten Begrenzungen aus Tuffstein, mit denen Urgroßvater Duttenhofer die Beete einfassen ließ. Die Gemüsekulturen hingegen, die dort mittlerweile angebaut werden, sind andere. Hier leben die beiden Kochprofis ihr Interesse für Besonderheiten aus, die sie auf Reisen entdeckt und ins Herz geschlossen haben, und die sie nun für neue Rezepte ausprobieren möchten. Viel Raum nehmen Basilikum, Chili, Peperoni und Tomaten ein, die dort in eigens errichteten Glashäusern heranwachsen. Es ist erstaunlich, was für köstliche Cremes, Pürees und Konfitüren sich daraus machen lassen. Ebenfalls ein Hochgenuss ist die spanische Chili ´Pimiento de Padron', wenn diese nur kurz in Olivenöl angebraten und mit einer Prise Fleur de Sel gewürzt wird.

Auf eine Sammlung ungewöhnlicher Gewächse stößt man auch unmittelbar vor dem Herrenhaus. Ein Weinbergpfirsich ziert eine geschützte Mauernische. Töpfe mit exotischen Würzkräutern stehen aufgereiht am Weg: Quillquina (Porophyllum ruderale), das dem Blattkoriander ähnliche Kraut aus Südamerika, rotes Shiso (Perilla ´Rote Auslese') aus Japan, Argentinische Minze, Japanischer Bergpfeffer, Szechuan Pfeffer, Kaffirzitrone und Zitronenverbene - um nur einige Arten zu nennen. Blätter der Pflanze werden zwischen den Fingern zerrieben, das Aroma erschnuppert, der Geschmack geprüft. Die roten Pfefferfrüchte betäuben die Zunge, brennen und kribbeln und offenbaren zugleich eine überraschend fruchtige Note. Der Hausherr genießt sichtlich den aromatischen Parcours, den er mit vielen informativen Details spickt. Hier sind Profis des guten Geschmacks am Werk und zugleich leidenschaftliche Gärtner. So steckt in jedem Topf ein Bewässerungsschlauch, der mit einem Versorgungsstrang verbunden ist. Dies ausgeklügelte System macht die Gießarbeit überflüssig und spart im Sommer viel Zeit. Auch für den Winter ist vorgesorgt. Dann kommen die empfindlichen Gewächse in zwei kleine Gewächshäuser, die sich auf der Rückseite des Hauses befinden. Dort harren sie die kalte Jahreszeit über aus. Hin und wieder besucht sie der Hausherr, um nach dem rechten zu sehen, und um sich frische Würze für ein ausgeklügeltes Gericht zu holen.

 

Mehr Informationen unter www.apfelgut.de