03.01.2014

Die Magie des Winters

Der Garten im Winter: Vom Reiz der Strukturen, Gräser, Blütenstände und Gehölze

Michael Breckwoldt

Es ist früh am Morgen in einem parkähnlichen Garten, der nahe Bonn unmittelbar an das Rheinufer grenzt. Zwischen dem Schilf klirren die dünnen Schollen. Schwappt eine Welle aus dem nahe gelegenen Fluss ans Ufer, klingt es, als würden feine Gläser aneinander gestoßen. Dazu ertönt ein dumpfes Rascheln, wenn sich trockenes Laub an den Halmen reibt. Die Szene an diesem Wintermorgen, den die Sonne - gefiltert durch das Geäst von Erlen und Birken - in ein mildes Licht taucht, könnte einem Gemälde von Caspar David Friedrich entsprungen sein. Doch sie ist real.

Rot leuchtet das Backsteingemäuer der herrschaftlichen Villa und die Scheiben des viktorianischen Gewächshauses, das unweit davon steht, blinzeln silbern im Morgenlicht. Erstaunlich ist, wie die Anlage hier über ihre Grenzen hinweg mit der Umgebung zu einem wunderbaren Gesamtbild verschmilzt. Das fällt jetzt im Winter besonders auf, da Brauntöne dominieren, das Blattwerk und die Blumen fehlen. Auffällig auch, dass die Vegetation auf den Beeten nicht bis zum Boden gestutzt wurde, wie es im Herbst sonst üblich ist. Der Hausherr hatte sich eine Grünanlage gewünscht, die zu jeder Jahreszeit etwas bietet. Dazu engagierte er den Niederländer Piet Oudolf, der weltweit zu den Topgartendesignern zählt. Oudolf nimmt sich die Natur zum Vorbild und hat damit seinen unverkennbaren Stil kreiert: Er entwirft atmosphärische Gartenbilder, in denen sich der Wechsel der Jahreszeiten, das Werden und Vergehen der Pflanzen widerspiegelt. Wilde, hohe Gräser und imposante Stauden mit bizarren Blütenständen gehören zu seinen Akteuren.

Im Winter zeigen Gärten ihr wahres Gesicht. Ohne das Beiwerk von Blüten und Blättern treten allein durch das Licht der Sonne ihre Konturen hervor - wie auf einer Röntgenaufnahme. Jetzt offenbaren sich, ob Beete bloß auf flüchtige Effekte hin komponiert waren oder sie eine bewusst gestaltet Struktur in ein übergeordnetes Konzept einbindet.

Die britische Gartenbuchautorin Mary Fish machte sich daher immer im Winter auf den Weg, um neue, sehenswerte Gärten aufzuspüren. „Gefällt mir dann einer, komme ich im Sommer nochmals zurück", schreibt sie in einem ihrer Bücher. Damit Rasen und Rabatten im Grau des Winterwetters nicht zu einer konturlosen Masse verschwimmen oder platt unter einer Schneedecke verschwinden, sollte es Formen geben, die die Farbigkeit des Sommers überdauern. Neben Gräsern und großen Stauden zählen dazu auch Hecken, die nicht nur an der Grenze zum Nachbarn wachsen, sondern die Gartenfläche gliedern. Mauern und Pergolen sind ebenso gut geeignet. Sie stanzen dunkle Silhouetten in das milde Winterlicht, gewinnen plötzlich an Gewicht, zeigen Ecken und Kanten, wo zuvor Ranken und Laubbüschel wucherten und den Unterbau verbargen.

Auch auf dem Ommertalhof, einem ländlichen Anwesen im Bergischen Land, etwa eine Autostunde östlich von Köln, kehrt der Winter die magischen Momente hervor. Unter weichen Polstern aus Schnee verschwinden die kunstvoll geschichteten Mauern. Eine fragile Eisschicht versilbert das Spiegelbild des Teiches. Die unbelaubten Sträucher werden zu bizarren Schönheiten. Gewöhnlich sprudelt ein künstlich geschaffener Bach quer über die Terrasse und mündet in den Teich. Nun ruht alles unter einer Schneedecke, in der Tierspuren sichtbar sind: „Diese stammt von einem Fuchs", sagt Frank Schroeder, der die gesamte Anlage mit seiner Freundin zusammen geschaffen hat. Und die feinen Abdrücke haben Zaunkönige, Rotkehlchen und Heckenbraunellen hinterlassen, die sich Samen aus den trocknen Blütenständen holen. Die welken Stängel gehörten zu duftenden Lavendel-, Steinquendel- und Oreganokräutern, die in den Terrassenfugen wachsen. Aus der Tiefe der weißen Gartenlandschaft oberhalb des Teiches leuchten die roten Triebe von Hartriegel (Cornus alba ´Sibirica') und Zimtahorn (Acer griseum).

Dem Paar ist es gelungen, einen das Jahr über reizvollen Garten zu gestalten. Dabei verknüpften sie eine abwechselungsreiche Bepflanzung mit baulichen Veränderungen. So errichten die beiden unter anderem eine Patchworkmauer aus gebrannten Ziegeln, Natursteinen und Holz. „Vor allem im Winter gewinnt der Garten seine Attraktivität durch die architektonischen Elemente", sagt Schroeder. „Es sei denn Schneeflocken oder Raureif erwecken die unscheinbar gewordene Pflanzenwelt wieder zum Leben."

Der Ommertalhof ist nach Absprache für Besucher geöffnet.

Mehr unter www.ommertalhof.de