02.09.2015

Sind historische Rosen robuster als moderne Sorten?

Von Gallica-, Alba- und Damaszenerrosen, Teehybriden und robusten ADR-Rosen

Michael Breckwoldt

Der Run auf die Rosen-Oldies setzte in Deutschland Ende der Achtziger ein. Maßgeblich ausgelöst hat ihn die Journalistin und leidenschaftliche Gärtnerin Gerda Nissen aus Meldorf in Schleswig-Holstein. Sie wurde im Juni 1975 durch eine Wolke würzigen Duftes auf einen verwilderten Rosenstrauch aufmerksam. Dieser streckte seine porzellanrosa Blüten unter dem Maschendrahtzaun eines bäuerlichen Anwesens hindurch. Mit „Belle Isis“, dieser bezaubernden, mehr als 130 Jahre alten Gallica-Rose, begann für sie eine Karriere als Rosendetektivin. In den nächsten zehn Jahren durchkämmte sie systematisch Teile Schleswig-Holsteins. „Gärten an Bauernhöfen, Katen und Handwerkerhäusern, Viehställen und aufgegebenen Hofstellen in der Feldmark, Friedhöfe in Dörfern und Kleinstädten – nichts wurde ausgelassen“, schreibt Nissen über die spannende Suche in ihrem Büchlein Alte Rosen. Ihre Fundstücke sind für sie lebende Antiquitäten.

Es kann heute noch überall passieren, dass man einen Rosenstrauch findet, der mehr als hundert Jahre alt ist: in verwilderten Gärten und Parks, auf Friedhöfen und in der Nähe von Schlössern. Ist das nicht der Beweis? Machen diese betagten Ladies nicht untrüglich deutlich, dass sie äußerst robust und nicht umzubringen sind? Welche von den modernen Zimperliesen kann denn da mithalten? Zur Beantwortung der Frage müsste zweierlei geklärt werden: Was versteht man unter „alt“, und was heißt denn überhaupt „robust“? Die erste Frage lässt sich leicht beantworten. Die Experten sind übereingekommen, alle Züchtungen, die aus Teerosen entstanden sind, für modern zu erklären. Mit „La France“, die Jean-Baptiste Guillot 1867 unter einigen Sämlingen in seiner Rosenschule im französischen Lyon fand, beginnt die neue Zeitrechnung. Diese sogenannten Teehybriden eroberten schnell den Markt, denn sie waren fähig, mehrmals im Jahr zu blühen. Zusammen mit Multiflora- und China-Rosen gelangten die Teerosen um 1800 durch Reisende aus fernöstlichen Gärten nach Europa. Diese drei Urahnen vieler moderner Rosen waren zwar noch frostempfindlich, doch sie beeindruckten durch ungewohnte Farben, nämlich durch klares Rot und reines Gelb. Und sie brachten die Fähigkeit mit, in einer Saison mehrfach hintereinander Blüten zu treiben.

Die ältesten drei Rosenklassen Gallica-, Alba- und Damaszener-Rosen blühten dagegen nur einmal. Sie schmückten schon seit Hunderten von Jahren die Gärten und lieferten die Essenzen für Rosenwasser und Rosenöl. Zufälligen Kreuzungen in der Natur verdanken wir zum Ende des 16. Jahrhunderts zwei weitere Klassen: die Zentifolien und die Moosrosen. Mit den Neuankömmlingen aus Fernost kam dann allerdings Bewegung ins Sortiment. Als die alten Rosendamen mit den jungen Grazien gekreuzt wurden, verfünffachte sich innerhalb von knapp 20 Jahren die Zahl der Rosensorten. Viele von denen existieren heute nicht mehr – noch nicht einmal in der hintersten Reihe einer Dornröschenhecke. Ihnen fehlte schlicht die nötige Widerstandskraft. Diejenigen aber, die sich haben behaupten können, sind auch nicht alle von der rüstigen Gesundheit, die wünschenswert wäre und in vielen Rosenschulen mittlerweile zum Maßstab erhoben wurde. Da hat sich in den letzten 20 Jahren viel verändert.