03.12.2012

Laubberge und der Duft nach Waldboden

Der natürliche Rohstoff Laub liefert wertvollen Humus und bietet Schutz für empfindliche Pflanzen und Blumenzwiebeln.

Michael Breckwoldt

Wer in diesen Tagen morgens aus dem Haus tritt, vernimmt vielerorts ein Rascheln zwischen den Schuhen - das typische Geräusch des Novembers. Jeder Schritt erzeugt einen Rhythmus, der zur Melodie des Herbstes wird. Wie kommt es nur, dass viele Menschen über das Herbstlaub stöhnen? Grimmig kehren sie es zusammen, verschnüren es wie Sondermüll zum Abtransport in Säcke. Früher holten sich Gärtner den Humus nach Hause, der sich auf ganz natürliche Weise im Wald aus dem Falllaub bildet. Noch vor weniger als 100 Jahren scharrten sie sich das braune Gold aus den tiefer liegenden Erdschichten heraus. Denn je tiefer man gräbt, desto stärker hat sich das Laub zersetzt. Es entfaltet den typischen Geruch nach Waldboden, der als Merkmal für die Güte einer Erde gilt. Den Gärtnern war Torf als Blumenerde damals noch weitestgehend unbekannt. So bereiteten sie aus dem heimischen Humus spezielle Lauberden, in denen sie das Gros ihrer Pflanzen heranzogen.

Elizabeth MacLeod Matthews weiß heute noch um den großen Segen dieses natürlichen Rohstoffes. Die Landlady vom Gut Chenies Manor etwa 20 Kilometer nordwestlich von London lässt sich jedes Jahr das gesamte Herbstlaub aus der Gemeinde heranschaffen, um es auf den Beeten ihrer weitläufigen Anlage zu verteilen. Für sie ist Laub einer der besten Humuslieferanten. Zudem hilft es empfindlichen Pflanzen und Blumenzwiebeln über den Winter, weil es gegen Barfröste schützt. Die Engländerin bringt jährlich mehr als 6.000 Tulpen in die Erde. Sie weiß, was sie diesen Knollen schuldig ist, damit deren Häupter sich im Frühjahr stolz mit Blüten krönen: eine feine locker-krümelige Erde. In ihr entwickeln sich auch die flauschigen Polster himmelblauer Vergissmeinnicht und violetter Stiefmütterchen bestens, die sich zwischen den Tulpen breit machen und ihnen die Steifheit nehmen. Niedrige Buchshecken fassen die schmalen Beete ein, die sich um die weitläufigen Rasenflächen ziehen. An sonnigen Tagen sitzt die Lady dann schon in ihrem Pavillon, der sich in Form eines englischen Gewächshauses an der Längsseite eines großen Rasenstücks befindet. Von dort aus bewundert sie bei einer Tasse Tee die Blumenbilder, die sich streifenartig durch ihren Garten ziehen.

Diese zauberhafte Blütenpracht braucht eine vernünftige Bodenvorbereitung. Ein Großteil davon liefert das Laub. Wird es auf den Beeten verteilt, dient es Regenwürmern und anderen Bodenlebewesen als Nahrung, die es zu Humus verarbeiten. Rasenflächen und Wege müssen natürlich davon befreit werden. Hilfreich ist dafür ein Rasenmäher, der die Blätter, sofern sie trocken sind, zerkleinert und zusammen mit Gras im Fangsack sammelt. Besonders das eher harte Laub von Eiche, Buche, Platane, Pappel und Walnuss zersetzt sich schneller, wenn man es im Verhältnis eins zu eins mit Rasenschnitt mischt. Mikroorganismen benötigen Stickstoff zur Verdauung der Zellulose. Davon steuern die trockenen harten Laubarten kaum etwas bei - anders als der Grünschnitt. Ist von ihm jedoch nur wenig vorhanden, so sollte man 30 Gramm Hornspäne pro Quadratmeter zwischen das Laub streuen, wenn dieses auf die Beete gestreut oder auf den Komposthaufen gebracht wird. Das Laub von Obstbäumen, Birke, Erle, Ahorn, Linde, Esche und Ulme ist dagegen weich und verrottet rasch.

Stauden, die aus dem Wald stammen, sind es gewohnt, dass jährlich Berge von Laub auf sie hinabregnen. Farne, Astilben, Anemomen, Funkien und Lungenkräuter brauchen diese luftige Auflage. Sie hält den Boden feucht und locker und versorgt die Pflanzen mit Nährstoffen. Von Natur aus sind ihre jungen Triebe daran gewöhnt, sich im Frühjahr durch Laubschichten zu bohren, ebenso wie Zwiebelblumen. Die meisten Staudenarten sowie Rosen dürfen hingegen nicht unter Blättern begraben werden.

Da Laub den Boden leicht säuert, profitieren besonders Rhododendren davon. Andere Rabatten, die im Herbst durchaus mit einer zehn Zentimeter dicken Lage bedacht werden können, sollten alle zwei Jahre mit etwa 250 Gramm gemahlenem Kalk pro Quadratmeter gedüngt werden. Reifer Kompost, der darüber gestreut wird, beschleunigt die Rotte. Können die Beetflächen das Laub nicht komplett aufnehmen, lässt sich der Überschuss in eine schattige Gartenecke schaffen. Schon bald verwandeln sich die unteren Lagen in duftende Walderde. Wenn es dann ans Verteilen geht, würden alle Gewächse laut „hier" schreien - wenn sie denn könnten.