20.09.2013

Was Männer in den Garten treibt

Schwelgende Üppigkeit in strenge Strukturen gefasst - Sissinghurst Castle

Michael Breckwoldt

Bisher war die Sache unter Frauen klar: Männer sollten im Garten nur ganz gezielt eingesetzt werden. Am besten zum Rasenmähen. So etwas macht den Kerlen Spaß, denn in der Welt der Motoren kennen sie sich aus. Und ein Stückchen Rasen ist überschaubar und in geraden Bahnen abzuarbeiten. Zum Schluss kommt der Schnitt in die Tonne, das Mähwerk wird mit dem Gartenschlauch abgespritzt und die Maschine zurück an seinen Platz gestellt. Fertig! Eine saubere, kalkulierbare Tätigkeit.

Das Herz der Frauen schlägt dagegen für alles, was blüht. Und aus diesem sensiblen Hoheitsbereich sollten Männer besser herausgehalten werden. Auch die Hamburger Autorin Paula Almquist ist Verfechterin dieser klassischen Arbeitsteilung: „Männer sind sehr gut zu gebrauchen zum Rasenmähen, Bäume fällen und auch zum Heckenschneiden", schrieb sie vor einigen Jahren in der Frauenzeitschrift Brigitte Woman, und es gefällt ihnen, „hochgemut mit dem Aufsitzmäher die Gänseblümchen und Butterblumen zu enthaupten."

Doch was, wenn der Göttergatte sich im Garten plötzlich nicht mehr mit der Rolle des Nebendarstellers zufrieden gibt? Blickt man in die Geschichte zurück, so waren Männer immer die maßgeblichen Gestalter von Gärten. In der Renaissance und im Barock schufen sie ein architektonisches System aus geometrischen Formen und axialen Verbindungen. Zu Zeiten der Landschaftsparks ließen sie in den Gärten pittoreske Naturszenen entstehen. Später dann als viele exotische Pflanzen aus Übersee in Europa landeten, wurden Gewächshäuser gebaut, um diesen empfindlichen Ankömmlingen optimale Bedingungen zu bieten. Zeichneten sich die Männer zuvor vor allem als Baumeister aus, so offenbarten sie nun die Seite des Jäger und Sammlers. Noch heute werden umfangreiche Pflanzenkollektionen vor allem von Männern gehegt und gepflegt - nicht selten in Glashäusern, die im Garten einen Extraplatz bekommen.

Was passiert denn nun, wenn sich das männliche Weltbild der Ordnung über die weibliche Vorliebe für farbenfrohen Wildwuchs beugt? Rücken dann schnurgerade Blickachsen an die Stelle malerischer Staudenbeete? Ist männliches und weibliches Gärtnern also unvereinbar?

Die Entstehungsgeschichte einiger der besten englischen Gärten beweist das Gegenteil. Nehmen wir das Beispiel Sissinghurst Castle. Der Garten dort wurde von dem Ehepaar Vita Sackville-West und Harold Nicolson über einen Zeitraum von rund 30 Jahren gemeinsam gestaltet. Dass dies nicht immer ohne Meinungsverschiedenheiten abging, zeigen Harolds Tagebucheinträge aus dem September 1933: „Messe den Mittelweg im Gemüsegarten aus ... Schließlich weigert sich Vita, an unserer Entscheidung festzuhalten und die elenden Bäumchen zu entfernen, die meinem Entwurf im Weg stehen. Wie immer behindert das romantische Temperament das klassische." Und drei Tage später klagt er: „Versuche die Perspektive des Gemüsegartens durch Verlängerung der gepflasterten Pfade zu erweitern, stoße aber auf Artischocken und Vitas Entrüstung. Danach betrübt auf dem Rasen Unkraut gejätet. Wir haben eine Diskussion über die Rechte der Frauen."

Was war passiert? Aus dem alten Gemüsegarten sollte ein Rosengarten werden. Harold wollte dafür die Achsen festlegen. Vita hingegen hatte vor allem die Auswahl der Varietäten reizvoller Rosen im Sinn. Sie war im letzten Jahrhundert eine der Persönlichkeiten, die sich zuerst wieder für diese fast vergessenen stacheligen Schönheiten einsetzte. Deren Pracht wollte sie mit dem Rosengarten ein Denkmal setzen, eines, in dessen üppigen, fließenden Formen man schwelgen konnte. Da war Harolds Vorliebe für perfekte Geometrie zunächst fehl am Platz. Schließlich jedoch gab Vita ihren Widerstand auf. Hatte Harold nicht schon in anderen Teilen von Sissinghurst für klare Strukturen gesorgt, etwa in der Achse des Lindengangs. Das Raster, das der Gartenanlage heute seine Räumlichkeit verleiht, geht weitestgehend auf sein Konto.

Rückblickend war Vita mit der gemeinschaftlichen Lebensleistung sehr zufrieden, und sie würdigte ausdrücklich den Anteil ihres Mannes: „Allein hätte ich es nie geschafft. Zum Glück hatte ich den idealen Mitstreiter geheiratet. Harold Nicolson muss in einem früheren Leben Gartenarchitekt gewesen sein. Er hat einen natürliche Sinn für Symmetrie und ein Genie für die Schaffung von Blickpunkten und Fernsichten ... Höchste Strenge der Gestaltung wollte verbunden sein mit maximaler Zwanglosigkeit der Bepflanzung". In dem letzten Satz offenbart sich das Geheimnis, das den Zauber vieler schöner Gärten ausmacht. Eine üppige Bepflanzung trifft auf durchkomponierte Strukturen. Es braucht wohl beides: Geometrische Strenge und das Schwelgen in einer Fülle von Farben und Formen, also Geradlinigkeit und Emotionalität.

Die Zitate sind aus: 

  • Victoria Glendinning: Vita Sackville-West. Eine Biographie. Frankfurt a.M. 1990, S. 369
  • Tony Lord: Sissinghurst. Einer der schönsten Gärten Englands. Köln 1996, S. 11