19.02.2015
Beim Schneiden von Apfelbäumen ist Zurückhaltung geboten
Wie man einen Apfelbaum schneidet
Mit dem Schneiden des Apfelbaums ist es ein wenig so wie mit dem Renovieren eines Wohnzimmers. Man schleicht lange darum herum, schiebt wichtige Arbeiten vor und kommt schließlich zu einem radikalen Entschluss. Wenn es schon getan werden muss, dann richtig. Bezogen auf das Zimmer bedeutet das: Es kommt nicht nur frische Farbe an die Wand, es werden gleich Teppiche und Möbel erneuert. Damit für die nächsten Jahre Ruh’ ist!
Für den Apfelbaum bedeutet es meistens: Es wird viel zu viel von dem Gerüst seiner Äste weggeschnitten – zumindest, wenn sich ein Laie ans Werk macht. Der versierte Baumkundler, der das im Nachhinein sieht, rauft sich die Haare und denkt: Wird der Baum je wieder eine schöne Krone ausbilden und üppig Früchte tragen?
Das Bild einer Analogie hilft am besten weiter, um zu verstehen, warum solche Eingriffe behutsam durchgeführt werden müssen. Das unterirdische Wurzelgeflecht eines ausgewachsenen Apfelbaums macht etwa das gleiche Volumen aus wie seine ausgebreitete Krone. Es besteht zwischen beiden Seiten ein Gleichgewicht, das für die optimale Ernährung des Baums nötig ist. Werden nun viele Äste gekappt, pumpen die Wurzeln weiterhin annähernd die gleichen Saftströme in die Krone. Dieses Überangebot hat einen starken neuen Austrieb zur Folge. In der Krone sprießen viele junge Äste, die das reduzierte Volumen innerhalb eines Jahres wieder auszugleichen versuchen.
Dem Baum ergeht es dabei allerdings ähnlich wie dem Burschen im Märchen, der einen Klumpen Gold zuletzt gegen einen Mühlstein eintauscht. Denn dem radikalen Schnitt fällt viel wertvolles Fruchtholz zum Opfer. Dafür wachsen dem Baum nun viele wertlose Wasserschosse.
„Nach dem Schnitt treibt ein Baum neu aus. Die Stärke des Neuaustriebs hängt von der Schnittstärke und dem Schnittzeitpunkt ab. Je schärfer man einen Baum zurückschneidet, desto stärker treibt er im folgenden Frühjahr“, so bringen es die beiden Obstbau-Experten Bernd Schulz und Gerd Großmann auf den Punkt. Nimmt man dann noch die Triebe nicht auf allen Seiten gleichmäßig weg, wird sich die Krone künftig ungleichmäßig entwickeln.
Das Schneiden von Apfelbäumen ist trotzdem kein Buch mit sieben Siegeln. Im Gegenteil: Es ist gar nicht so schwer, wenn man einige wenige Regeln beherzigt. Zunächst muss man wissen, dass Blüten und Früchte überwiegend an sogenannten Kurztrieben entstehen, die seitlich von den Ästen wie kleine Spieße abstehen. Diese gilt es zu erhalten. Sie sind das Kapital des Baumes, das jedes Jahr in Form leckere Früchte einen reichen Ertrag abwirft. Die bestehende Krone eines ausgewachsenen Apfelbaums muss ohnehin nicht stark beschnitten, sondern nur etwas ausgelichtet werden. Sie soll luftig sein, damit der Wind hindurch streichen kann. Dann trocknet das Laub nach einer taureichen Nacht schneller und Pilzkrankheiten werden nicht so leicht übertragen. Zudem soll das Sonnenlicht die Früchte erreichen, damit diese gut ausfärben.
Daher werden nur quer wachsende und trockene Zweige herausgeschnitten. Vereinzelt sollte auch einmal ein greiser, also knorriger, alter Trieb verjüngt werden. Das heißt, man kappt ihn dort, wo ein junger kräftiger Neutrieb seitlich abzweigt. Es ist immer gut, nur solche Triebe zu belassen, die einerseits vital aussehen und andererseits zum Stamm möglichst waagerecht stehen. Dann bilden sich an ihnen schnell neue Blütenknospen. Denn in alle steil wachsende Äste schießt der Nährstoffstrom aus den Wurzeln ungehindert. Sie erhalten starke Wachstumsimpulse und wachsen daher schneller als andere. Eine waagerechte Aststellung drosselt dagegen den Saftstrom und führt zur Bildung der wertvollen Kurztriebe.
Bei all diesen Eingriffen sollte man darauf achten, dass die Form einer rundum gleichmäßigen Krone erhalten bleibt bzw. allmählich hergestellt wird. Das gelingt am besten, wenn man regelmäßig jedes Jahr nur einige alte Triebe herausschneidet und nicht ganz viele auf einmal nimmt. Anders als beim Renovieren von Zimmern, bei denen Farbe, Tapeten und Inventar durchaus runderneuert werden dürfen, gilt für Apfelbäume und für alle anderen Obstbäume, dass bei diesen ein behutsames Vorgehen und Weitsicht und gelten müssen. Jetzt vor dem Laubaustrieb der Bäume ist übrigens die beste Zeit des Schneidens.