18.09.2014

Dächer aus flirrenden Blättern

Pergola und Formgehölze als Schattenspender

Michael Breckwoldt

Palmen spenden dem Ferienhaus auf Mallorca in der Ebene von Felanitx schon etwas Schatten. Um das Leben im Freien noch erträglicher zu machen, ist das Gebäude jedoch von einer Pergola umschlossen, auf der die Äste eines Blauregens ruhen. Das Gefecht der weit verzweigten Triebe verbreitet einen lichten Schatten. Die Sonnenflecken wandern im Tageslauf über den Kiesbelag der Terrasse. Ein Luftzug fährt raschelnd durch die Blätter. Der Himmel bleibt sichtbar wie in einem luftigen Laubwald. 

Viele Ferienhäuser in Südeuropa haben diesen natürlichen Sonnenschutz, meist in Form von simplen Pergolen aus Holz, die von Weinranken übersponnen werden – oder eben von den Trieben eines Blauregens. Platanen beschatten die Dorfplätze vor Ort. Dort trifft sich die Jugend und palavert und Männer spielen Boule. Feines Akazienlaub wirft einen flirrenden Schatten auf Parkwege, die zum Flanieren einladen. Dagegen pflanzt man in bayerischen Biergärten traditionell Kastanien und vor norddeutsche Bauernhäuser Linden. Da diese alljährlich beschnitten werden, heißen sie Kopflinden. In den Niederlanden hingegen formt man die Lindenbäume zu flachen Spalieren.

Solch grüne Naturwerke spenden dem Menschen Schatten und Schutz. Aufwendig geformte Bäume sind zudem Statussymbole. Ähnlich wie kunstvolle Schnitzerei am Giebel oder am Eingangsportal dienen sie dazu, die Gebäude besser in Szene zu setzen. Häufig werden Gehölze selbst zu einem Stück Architektur. Hecken zum Beispiel können intime Räume innerhalb eines Gartens schaffen, ähnlich wie Wände aus Rankgittern, an denen Rosen, Klematis oder Spalierobst wachsen. Zum gänzlich windgeschützten Ort im Grünen werden Glashäuser, die von Hecken umgeben in einem verborgenen Winkel stehen können und die Möglichkeit bieten, den Garten aus neuer Perspektive zu bewundern.

In der modernen Gartengestaltung dienen Formgehölze vor allem dazu, einen Grünraum zu strukturieren. So werden die Kronen kastenförmig geschnitten oder an Spalieren in die Waagerechte gebracht. Häufig beginnen diese erst bei einer Höhe von mindestens 180 Zentimetern (Hochstamm). Stehen die geformten Bäume knapp vor den Hecken, so erweitern sie diese grünen Wände nach oben und verleihen ihnen mehr Plastizität. Reizvolle Kontraste entstehen durch unterschiedliche Farben und Formen des Laubs. Hierfür finden sich geeignete Arten und Sorten bei den Buchen, Zieräpfeln, Hainbuchen, Linden und beim Feldahorn. 

Groß ist die Auswahl an Bäumen, die man pflanzen kann, um einen Sonnenschirm überflüssig zu machen, oder um ein Gewächshaus zu schattieren, das als sommerliche Gartenresidenz dient. So haben die Gärtner von Ahorn, Robinie, Esche, Eiche und Ulme kleinwüchsige Formen mit meist kugelförmigen Kronen gezüchtet. Am bekanntesten sind wohl der Kugel-Ahorn (Acer platanoides  ́Globosum`) und die Kugel-Robinie (Robinia pseudoacacia  ́Umbraculifera`) Pflanzt man vier Exemplare mit dem nötigen Abstand voneinander zusammen, entsteht in deren Mitte ein lauschiger Platz, der ideal für eine größere Sitzgruppe ist. Ebenso lassen sich Bäume zu überdachten Plätzen anordnen, deren Kronen mithilfe von Bambusstäben in die Waagerechte getrimmt wurden. Solche Dachformen findet man etwa bei Platanen, Eichen, Linden, Kastanien und Maulbeerbäumen. 

Für welche Baumart man sich entscheidet, hängt auch davon ab, wie viel Schatten und Schutz man sich wünscht. Das feine Laub von Robinien und Blauregen lässt viel Licht hindurch schimmern. Beide Arten bringen zudem duftende Blüten hervor und verbreiten eine mediterrane Stimmung – ebenso wie Platanen, deren Schattenwirkung hingegen stärker ist. 

Auch die bei uns heimischen Ebereschen sind für lichten, heiteren Schatten gut, während Kastanien und Eichen eine eher dunkle Wirkung entfalten. Form, Farbe und Dichte der Blätter beeinflusst also auch die Qualität des durchscheinenden Lichtes. Das Laub der Linden ist zwar relativ groß, doch zugleich gut lichtdurchlässig. Der Schatten unter diesen Bäumen ist sanfter als der unter Eichen. Bevor man sich also für eine Baumart entscheidet, die man zu einem grünen Dach heranziehen möchte, sollte man unter dieser Probe gesessen haben – ein neues Auto kauft man ja auch nicht, ohne es zunächst Probe gefahren zu sein.