28.02.2013

Warum auch Orangenbäume Sonnenbrand bekommen können

Von Orangerien, dem Überwintern nicht winterharter Pflanzen, und der Vermeidung von UV-Schäden

Michael Breckwoldt

Als Gewächshäuser noch Orangerien hießen, waren sie eine Liebeserklärung an die Orange. Seit der Antike genossen die Menschen deren Blütenduft und den Geschmack der Früchte. Wie aber sollten diese frostempfindlichen Gewächse über den Winter gebracht werden? Die geringsten Minusgerade machen ihnen den Garaus. In der Antike wurde diese Frage nach heutigen Maßstäben ganz ökologisch gelöst. Denn die Bäume, die der Legende der Hesperiden nach goldene Früchte tragen, wurden nur dort gepflanzt, wo sie sich klimatisch wohl fühlten. Das änderte sich erst in der Renaissance. Dort avancierten Zitrusbäume vor allem in den fürstlichen Gärten Norditaliens zu architektonischen Gestaltungselementen. Zur Sicherheit wurden sie daher in Töpfe gepflanzt. So konnte man sie vor Einbruch der kalten Jahreszeit abtransportieren und an einem geschützten Ort unterstellen. Zunächst waren es primitive Hallen aus Holz, die durch transportable Öfen zu heizen und deren Südwände mittels Glasscheiben zu öffnen waren. Aus diesen zunächst noch Pomeranzenhäuser genannten Zweckbauten wurden dann im 17 Jahrhundert repräsentative, reich verzierte Glashäuser mit ausgeklügelten Fußbodenheizungen – eben die Orangerien. Hier waren die Exoten den Winter über sicher aufgehoben.

Die Liebe zu Orangenbäumchen ist geblieben. Nur die Zahl verfügbarer Orangerien hat heutzutage leider drastisch abgenommen. Zugenommen hat dagegen die Zahl an Kübelpflanzen wie Oliven, Duft-Pelargonie, Oleander, Wandelröschen und Feigen, die wie die Zitrusgewächse ein helles, luftiges, jedoch frostfreies Winterquartier bevorzugen. In Zeiten von Bescheidenheit geben sich diese Pflanzen durchaus mit einem kühlen Gewächshaus oder Wintergarten zufrieden. Dort, unter dem von Licht durchfluteten Glasdach, fühlen sie sich fast wie an ihren Naturstandorten rund um das Mittelmeer.

Vielfach jedoch müssen diese Gewächse den Winter in unseren Breiten in einem engen Treppenhaus oder im kühlen Schlafzimmer ausharren. Auch das ist eine zeitlang zu ertragen. Denn wer hat schon den Luxus eines Wintergartens zu bieten? Daher werden die Gewächse im Frühjahr, sobald die ärgsten Fröste vorüber sind, rasch wieder ins Freie gebracht,. Endlich, so der Gedanke, kommen diese lichthungrigen Geschöpfe zurück an die Sonne. Doch dann passiert das Unverhoffte: Ihr Laub verfärbt sich weißlich oder braun, wird pergamentartig dünn und fällt ab.

Zwei jüngste Fälle aus dem Internet-Forum der Zeitschrift Brigitte illustrieren die Problematik: „Ich habe mit freundlichem Zureden und regelmäßigem Gießen eine Feige im Treppenhaus überwintert. Vor einer Woche habe ich beschlossen, sie wieder dem Wind und der Sonne auf der Dachterrasse auszusetzen. Der Feige geht es inzwischen reichlich schlecht. Sie wirft Blätter ab, die verbleibenden Blätter haben gelbe und braune Flecken.“ Im zweiten Fall heißt es: „Ich habe mittlerweile vier Aloe vera, die auf dem Dachboden überwintern. Im Frühjahr (also jetzt) sehen sie richtig prächtig aus, dicke neue Blätter, groß und kräftig. Sobald sie im späten Frühjahr auf die Terrasse kommen, werden sie braun und matschig … (Fast) schaut es aus, als würden die Blätter verbrennen, als vertrügen sie das Sonnenlicht nicht. Aber es sind doch eigentlich wärme- und sonneliebende Gewächse.“

Ob Feige oder die den Kakteen verwandte Aloe, ob Olivenbaum oder Zitrusgewächs, für alle immergrünen Pflanzen gilt: Sie müssen sich erst wieder an die UV-Strahlung der Sonne gewöhnen, wenn sie längere Zeit hinter Glas gestanden haben. Das ist wie bei der menschlichen Haut. Ohne Schutz erleidet sie schnell einen Sonnenbrand. Es sei denn, sie hatte Zeit, sich allmählich an die Intensität der Strahlung zu gewöhnen. Pflanzen geht es nicht anders. Es spielt dabei keine große Rolle, ob sie im Treppenhaus oder im Wintergarten untergebracht waren. Das ultraviolette Licht (UV-Licht) wird auch vom Fensterglas weitestgehend absorbiert. Deshalb sollte man Gewächse, die im Frühjahr ins Freie kommen, mindestens zwei Wochen lang geschützt und schattig aufstellen. Ideal ist die Nordseite eines Hauses. Dort ist das UV-Licht, das auch ein blauer Himmel aussendet, so schwach dosiert, dass sich das Blattgewebe langsam wieder abhärten kann – sonst verbrennt selbst das Laub von Orangenbäumchen.