30.09.2016

Von Blumen und Blütenblättern auf Perch Hill Farm

Wie Sarah Raven zum Gärtnern kam

Michael Breckwoldt

Perch Hill Farm ist etwa vier Hektar groß. Wie Schaulustige flankieren mannshohe Fingerhüte die breite Zufahrt hinauf zum Farmhaus. Üppig bepflanzte Beete mit vielfältigen Kräutern, verschiedenfarbigen Salaten, Gemüse in allen erdenklichen Formen und prächtigen Sommerblumen überziehen den darunter liegenden Hang. Schon im allerersten Blog habe ich von diesem einmaligen Ort in den Hügeln von East Sussex berichtet, an dem die britische Autorin Sarah Raven ein Eldorado für Gartenfans errichtet hat.

Die Liebe zur Botanik hat Sarah von ihrem Vater geerbt, mit dem sie sich schon als Kind in der Natur herumtrieb, um Pflanzen zu bestimmen. Trotzdem studierte sie später nicht etwa Gartenbau, sondern Geschichte und Medizin, und arbeitete als Stationsärztin. Erst auf Umwegen fand sie zu ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Gärtnern. Und das kam so: Als sie Anfang der 90er Jahre schwanger war, quittierte sie die Arbeit im Krankenhaus. „Ich bin allerdings nicht gut darin, nichts zu tun“, erzählt sie. Kurzer Hand gründete sie mit einer Freundin einen Blumenservice. Sie sorgten auf Hochzeitsfeiern und Festen für den Blütenschmuck. Im Unterschied zu den etwas steif wirkenden Arrangements traditioneller Floristen, banden die beiden Frauen üppige Sträuße, ganz ohne Exoten, dafür aber mit allem, was ländliche Cottagegärten zu bieten haben. Das kam nicht nur im Freundeskreis gut an, sondern entwickelte sich zu einem kleinen Unternehmen und gab Sarahs Leben eine neue Richtung.

Kurz nach der Geburt der Tochter zog sie mit Mann und Kind aufs Land nach East Sussex. Nun war es nur eine Frage der Zeit, dass sie ihr Augenmerk über die Blumen hinaus auch auf Gemüse, Obst und Beeren richtete. Schließlich wollte die stetig wachsende Familie, mittlerweile war eine zweite Tochter hinzugekommen, auch gesund ernährt werden. Platz für zusätzliche Beete war reichlich vorhanden. So wurde eine Wiese umgebrochen und mit Hecken eingefasst. Es entstanden neue Areale, in denen ein Teil für Blumen reserviert war und ein anderer für Gemüse. Bogenförmige Öffnungen in den Hecken verbinden beide Teile. Aus Weide geflochtene Stützen geben den langstieligen Blumen Halt, Gerüste aus Haselnussruten den rankenden Gemüsearten wie Bohnen und Erbsen.

„Vom Gärtnern hatte ich anfangs nicht viel Ahnung“, gesteht Sarah lachend. „Das Meiste habe ich mir nach und nach selbst beigebracht, und wenn ich mal nicht weiterwusste, habe ich einfach Christopher gefragt.“ Christopher Lloyd, ein renommierter englischer Gartenexperte, war von dem Enthusiasmus seiner Nachbarin begeistert und half gern. Und dann ging es plötzlich Schlag auf Schlag: Ein großer britischer Verlag wurde auf Sarahs Arbeit aufmerksam, und nach gerade einmal zwei Jahren Landleben erschien ihr erstes Buch „The Cutting Garden“, in dem sie zeigt, wie man mit Blumen aus dem Garten die schönsten Sträuße bindet. Kurz darauf startete ihre wöchentliche Gartenkolumne im „Daily Telegraph“, und weil immer mehr Kunden nach den Samen ihrer schönen Blumen fragten, folgte auch noch ein eigener Saatgutkatalog und schließlich die Gründung von „Sarah Raven’s Garden und Cookery School“. Sarah hatte aus ihrer Liebe zur Natur einen neuen Beruf gemacht.

Zum Herzstück des Gartens wurde das 150 Quadratmeter große Gewächshaus, das sich unmittelbar an das Farmhaus anschließt. Unter seinem Himmel aus Glas werden nun Sträuße gebunden, Speisen kreiert, Dekorationen ersonnen und Workshops abgehalten. Eine Sammlung von Kübelpflanzen, darunter Gerbera, Duftwicken, Schopflavendel und Duftpelargonien verbreiten Wohlgerüche und ein mediterranes Lebensgefühl. Mit Glück kommen Gäste in den Genuss eines spontanen Sommergerichtetes. Dann huscht Sarah Raven rasch durch die Beete. Mit einem Messer schneidet sie hier ein paar Blätter, kappt dort ganze Köpfe und knipst zudem Blüten ab. Aus dem taufrischen Grünzeug zaubert sie nun mit Pflücksalaten, Sauerampfer, Kräutern und jungen Triebspitzen von Erbsen einen Salat, den die locker darüber gestreuten Blütenblätter von Ringelblumen und Pfingstnelken zu einem kleinen Kunstwerk machen.

Ihr geballtes Wissen gibt Sarah Raven in Kursen weiter. Mehr unter:
www.sarahraven.com