06.05.2015

Das süße Geschäft mit den Bienen

Über das Imkern und Bienenweiden

Michael Breckwoldt

Es summt und surrt. Über die Wiese flitzen dunkle Punkte. Ein Strom geballter Energie. Schon aus der Entfernung flößen die 16 Bienenvölker Respekt ein. Die hölzernen Behausungen stehen im Halbkreis auf einer kleinen Wiese. Davor blüht im Sommer mannshoch der Echte Alant (Inula helenium). Dahinter steht ein Gewächshaus, an dessen einer Seite Rosen empor ranken. Ein idyllisches Plätzchen mit einer Bank davor. Dennoch macht man um diese Ecke des Gartens lieber einen großen Bogen. Es sei denn, man sieht wie furchtlos die Imkerin sich den Bienen nähert. „Die Bienenrasse Apis mellifera carnica, mit der ich arbeite, ist äußerst sanftmütig“, erzählt sie und lächelt unter ihrem Imkerhut hervor. Gestochen würde sie nur bei Unachtsamkeit. Das soll wohl heißen, ihre Pollen sammelnden Insekten trifft keine Schuld, wenn deren Stachel zustößt.

Schmauchend zündet die Imkerin ihren Rauchbläser an, hebt den Deckel des ersten Kastens und beugt sich über die mit krabbelnden Wesen voll besetzten Waben. Sie trägt eine dünne beigefarbene Jeans, weißes Schutzhemd und Hut mit Schleier. In dem Rauchgerät oder auch Smoker genannt, verbrennt getrockneter Rainfarn – ein uraltes Räuchermittel, das durch die enthaltenen ätherischen Öle angenehm riecht. Bei den Bienen signalisiert der Rauch Gefahr und löst einen Fluchtinstinkt aus. Wer fliehen will, muss sich zuvor mit Proviant voll pumpen. Deshalb lassen sich die Insekten auf den Waben nieder, saugen Honig in sich hinein und verharren dabei regungslos – für die Imkerin eine ideale Arbeitssituation. Jetzt lassen sich die Bienen sogar vorsichtig mit den Fingern zur Seite schieben.

Den Eingang des Gärtchens krönt ein geflochtener Weidenbogen, an dem sich die Triebe der Rose ´New Dawn` empor gehangelt haben. Auf weiteren Beeten befinden sich Beerenobst und viel Blühendes, das von den Bienen gerne angeflogen wird, weil es sie mit Nektar und Pollen versorgt, darunter Ringelblumen, Fingerhut, Akelei, Baldrian, Borretsch, Storchschnabel, Schnittlauch, Pfingstrosen, Astern und Echte Baldrian (Valeriana officinalis). Sobald es warm wird, schwirren die Bienen aus und machen sich auf Nahrungssuche. Der Ort, an dem sie sich satt futtern, heißt wie bei anderen Nutztieren auch, Weide. Je nach Pflanzenart ist die Ausbeute unterschiedlich ergiebig. Sie hängt auch davon ab, was den Bienen angeboten wird. In den Nektarien erzeugen die Pflanzen Nektar, eine Art Zuckersaft, der die Insekten dazu verleitet, tief in die Blüten einzutauchen. Dabei kommt der Körper zwangsläufig mit den Staubgefäßen in Berührung. Fremder Blütenstaub wird übertragen und neuer bleibt im Pelz haften. Damit ist aus Sicht der Pflanze die Mission der Biene erfüllt. Die Bestäubung hat stattgefunden – ein für uns Menschen ebenfalls lebenserhaltender Dienst. Denn viele Nutzpflanzen, besonders die Obstgehölze, würden sonst kaum Erträge bringen. Den Nektar versetzen die Bienen mit körpereigenen Stoffen und lagern ihn als Honig ein.

Auch der Blütenstaub wird von den Bienen gesammelt. Häufig sieht man diesen als sogenannte Pollenhöschen an ihren Hinterbeinen. Diese Eiweißnahrung dient der Aufzucht der Brut und zum Anfressen von Eiweiß-Fettpolstern. Nicht alle Pflanzen belohnen den Dienst der Bienen mit Nektar. Einige haben nur Pollen zu bieten. 

Wie kommen nun aber die Bienen und die Honigquelle zusammen? Die Sinne der Bienen sind hervorragend an die Signale der Blüten angepasst. Sie können Farben sehen und verfügen über einen empfindlichen Geruchssinn. Auf einer großen Wiese mit zigtausend verschiedenen Blumen finden sie ohne Mühe die ertragreichen Blüten. Denn sie besitzen ein hohes Lernvermögen. Dies und „die Fähigkeit, Düfte und optische Reize zu unterscheiden, sind bei Bienen derart ausgeprägt, dass bei diesen Insekten kognitive Fähigkeiten aufgedeckt werden konnten, die denen von niederen Wirbeltieren in nichts nachstehen“, schreibt der Bienenforscher Jürgen Tautz. Um die nächsten Nahrungsquellen ausfindig zu machen, starten daher einige erfahrene Bienen Erkundungsflüge. Zur Orientierung dienen ihnen die Sonne und an bewölkten Tagen die Polarisierungsmuster des Himmels. So finden sie immer wieder zurück in den Stock zu ihrem Volk. Darauf tun sie in einer Art „Tanzsprache“ kund, was sie entdeckt haben. Befindet sich die Futterquelle weniger als 70 Meter entfernt, führen sie einen Rundtanz auf. Bei größeren Distanzen wird die Information durch einen Schwänzeltanz übermittelt, der die genaue Flugrichtung, in etwa auch die Entfernung und sogar die Attraktivität des Futters wiedergibt. So erhöht etwa eine erhöhte Zuckerkonzentration die Lebhaftigkeit des Tanzes. In weniger als einer halben Stunde schwirren eine Vielzahl von Bienen über der neuen Futterstelle.

Für die Imkerin ist das kleine Insekt ebenfalls unverzichtbar – auch in Alltagsfragen: Ist sie an wolkigen Tagen unsicher, ob sie die Wäsche draußen hängen lassen oder doch lieber abnehmen soll, schaut sie einfach auf ihre Bienen. Fliegen sie aus, bleib das Wetter trocken. Verschanzen sie sich in den Kästen, gibt es Regen. Liegt ein Gewitter in der Luft, hält sich die versierte Imkerin jedoch von ihren Bienen fern. Denn dann haben sie schlechte Laune.