25.01.2017

Mittelmeerfeeling südlich und nördlich der Alpen

Über Zirusfrüchte in Gewächshäusern und frostharte Arten wie Poncirus trifoliata

Michael Breckwoldt

Die Hügelketten der Toskana sehen aus wie sanfte Wogen. An ihren Hängen, gekrönt von herrschaftlichen Landhäusern in Ockergelb und Ziegelrot, blitzt das silbrige Grün der Olivenhaine. Aufgereihte, spitz zulaufende Zypressen zerschneiden schroff die gleichmäßigen Höhenlinien wie Ausrufezeichen, die sie hinter die atemberaubende Schönheit der Landschaft setzen. Die imposanten Baumriesen säumen Straßen und Friedhöfe und markieren die Weitläufigkeit der ländlichen Anwesen samt ihrer Gärten.

Häufig jedoch scheinen die Grenzen zu zerfließen. Gepflegte Rasenflächen gehen über in die Blumenweisen der Olivenpflanzungen, die im Frühjahr klatschmohnrote oder gänseblümchenweiße Tupfer tragen. Zistrosen, Rosmarin und Ginster, drei typische Gewächse der mediterranen Strauch-Heiden, zieren auch die Gartenbeete. Und wenn dort im Mai die Iris erblühen, sprießen ihre lavendelblauen und weißen Blüten zahlreich an den Böschungen, Mauern und Feldrainen.

Die Terrakotta-Farbe des Bodens taucht in den Tontöpfen wieder auf, in denen traditionell Zitronenbäumchen kultiviert werden. Alle Zitrusgewächse haben es gerne behaglich warm. Angenehme 20 bis 25 Grad und Sonne satt, tagein, tagaus. So jedenfalls fühlt sich das subtropische Klima in ihrer südostasiatischen Geburtsstätte an. Schon vor Tausenden von Jahren wurden die prachtvollen Fruchtbäume dort in Kultur genommen. Über Iran und Nordafrika rückten sie langsam nach Europa vor, wo sie zu einer Charakterpflanze des Mittelmeers wurden. „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen, Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn“, reimte Johann Wolfgang von Goethe vor gut 200 Jahren in Erinnerung an seine Italienreise.

Doch nicht alle Gegenden Italiens bieten das ganze Jahr über diese milden Temperaturen. Zu den Wintern im Norden des Landes bis hinab in die Toskana und nach Umbrien gehören auch Schnee und Frost. In der Renaissance begannen die Gärtner daher die Gewächse in Töpfe oder Kübel zu setzen und diese im Garten zu verteilen. Noch heute sind viele italienische Villenbesitzer stolz darauf, wenn sie eine beachtenswerte Citrus-Sammlung vorzuweisen haben. Zum Ende der Saison werden diese ins helle Winterquartier transportiert, das sich meist als ein stilvolles Gewächshaus entpuppt. In unseren Breiten schüren Zitronenbäumchen die Sehnsüchte nach Sonne und Süden. Sie stehen auf Balkon oder Terrasse hoch im Kurs. Zur Überwinterung muss meist das Wohn- oder ein Schlafzimmer herhalten.

Gemessen an deutschen Verhältnissen lassen sich Zypressen wohl gerade noch um den Bodensee sowie im Breisgau und Rheingau anpflanzen. Im 18. Jahrhundert stillten viele Fürsten daher ihre Sehnsucht nach Italien mit Säulenpappeln, die sie in ihre Parks setzen ließen. Die Silhouette der schlanken Bäume ähneln der von Zypressen. Mitten in Europa konnten so ländliche Szenen mediterraner Leichtigkeit entstehen. Markante aufrechte Formen entwickeln ebenfalls Säuleneiben und Zypressenwacholder. Sie passen besser in kleine Gärten als die bis zu 30 Meter hoch wachsenden Pappeln.

Vom Citrusfieber befallen war auch der Gartenbaustudent Bernhard Voß. Der Überwinterungsfrage müde, fahndete er bald nach frostharten Arten. In Florida (USA) wurde er fündig. Er entdeckte Apfelsinenbäume, die sogar zwölf Minusgrade aushielten. Die Züchtungen waren für die US-Citrusfarmer entwickelt worden, um Ernteverluste durch Frost zu minimieren. Mit einer Handvoll Kernen – nur die durften nach Europa eingeführt werden – startete Voß vor etlichen Jahren eine Citrusgärtnerei in Jork südlich von Hamburg. Heute kultiviert er dort mehr als 150 Sorten, darunter viele robuste Arten.

Keinen geringen Anteil an seinem Erfolg hatte eine spröde Schönheit: die Bitterzitrone Poncirus trifoliata. Die Wildform mit ungenießbaren Früchten, die in Zentralchina als Hecke gezogen wird, steckt noch minus 20 Grad klaglos weg. Vereinzelt sieht man diese Art heutzutage auch in bundesdeutschen Vorgärten wachsen. Gärtner Voß bietet viele Züchtungen an, in denen Bitterzitronen ihre genetischen Fingerabdrücke hinterlassen haben, wie die Citrangequat „Thomasville“. Diese Mischung aus Orange und Kumquat mit süßen, saftigen Früchten verträgt Frost bis minus zwölf Grad. Aromatisch wie eine Orange schmeckt die 1980 in Florida entstandene Citroncirus „Hybrid USA 119“. Auch sie verträgt zweistellige Minusgrade. Solche Arten halten – warm eingepackt und geschützt aufgestellt – sogar den Winter über tapfer draußen durch.

Natursteinmauern und rustikale Pergolen runden das Bild eines mediterranen Gartens ab. Werden Kies oder grober Sand in den Boden gemischt kommt dies den Iris und anderen typischen Mittelmeergewächsen wie Lavendel, Rosmarin, Salbei, Heiligenblumen und Edelrauten entgegen, die an heißen Tagen ihre ätherischen Düfte verströmen. Bei einem Glas Chianti werden dann Erinnerungen wach an Zypressen, Olivenbäume und flirrende Hitze über den Hügeln der Toskana.

Mehr zu Citrusgewächsen unter www.agrumi-voss.de