17.02.2016
Auch Kletterrosen müssen mit Gefühl und Augenmaß beschnitten werden
Kletterrosen-Triebe besser biegen und führen statt schneiden
In Gartenbüchern liest man folgende Aussage: „Öfter blühende Kletterrosen können relativ hart geschnitten werden.“ Ein fataler Satz, denn er verleitet Gartenlaien zu radikalen Schritten, wie zum Beispiel meinen Nachbarn, der die weit verzweigten Kletterrosen an der Terrassenwand im Frühjahr auf Hüfthöhe kappte. „Wie gefühllos“, klagte darauf prompt seine Ehefrau und zeigte sich das ganze Wochenende über zugeknöpft. Hatten die Rosen im Vorjahr noch üppig geblüht, so weckten die wenigen kargen Triebe kaum noch Hoffnung.
Solche Missverständnisse könnten vermieden werden. Der Rat eines Experten müsste lauten: Halten Sie die Schere in den ersten Jahren ganz von den Kletterrosen fern. Denn ihre schlanken Triebe sollen zunächst nur gelenkt und durch Halterungen fixiert werden. Kurz gesagt, es gilt das Motto: Biegen und Binden statt Kappen und Kürzen.
Denn Gartenliebhaber wollen, dass ihre stacheligen Schönheiten später überreich blühen. Das erreicht man weniger durchs Schneiden. Die Pflanzen bilden zwar immer wieder neue Blütentriebe. Greift man weiter nicht ein, wachsen diese jedoch schnurstracks gen Himmel und entfalten dann ihren Blütenreigen hoch oben in der Regenrinne oder im Scheitelpunkt eines Rosenbogens - anstatt die Fülle ihrer Schönheit über die gesamte Hauswand auszubreiten oder die Stützen eines Rosenbogens von unten bis oben dicht mit Blüten zu umhüllen.
Um das zu erreichen, muss man sich folgendes biologisches Prinzip vor Augen führen: Pflanzen wachsen dem Licht entgegen. In steil nach oben stehenden Trieben fließt der Saftstrom, der das Wasser und die Nährsalze transportiert, besonders schnell. In der Biologie heißt diese Gesetzmäßigkeit „Spitzenförderung“. Sie lässt sich mehr oder weniger an jedem Gehölz beobachten. Da Kletterrosen sehr wüchsig sind, werden ihre Triebe besonders lang, bevor sich die ersten Blüten bilden. Abschneiden hilft in diesem Fall überhaupt nichts.
Daher lenkt man die Triebe um. Sie müssen von der Senkrechten möglichst weit in die Waagerechte gebogen werden. So bremst man den Saftstrom und somit auch den Wachstumsschub. Andererseits sorgt man so dafür, dass verborgenen Knospen, sogenannte schlafende Augen, austreiben. So sprießen schließlich auf der ganzen Länge eines waagerecht fixierten Trieb viele neue kurze Blütentriebe – und nicht mehr nur an dessen Spitze. Wichtig ist, dass diese Triebe gut festgebunden werden. Sie sollen schließlich jahrelang ihre Form behalten. Hilfreich sind hierfür Rankgerüste oder Drahtseile an der Hauswand. An ihnen werden die langen, noch jungen Triebe nach und nach in Form eines weit gespannten Fächers befestigt – und so gut es geht in die Waagerechte gebunden. Um die Pfosten von Rosenbögen werden die Triebe dagegen spiralförmig gelegt.
Noch ein Wort zu den kurzen Blütentrieben, die an der Oberseite eines waagerechten Triebes neu entstehen: Haben diese geblüht, werden daraus allmählich wiederum lange Ruten. Kein Wunder: Sie stehen senkrecht und erhalten nun einen Wachstumsschub. Auch diese sollte man daher wieder in die Waagerechte biegen. Eine Hauswand bietet dafür viel Platz. So lassen sich die Triebe einer Kletterrose geschickt verteilen – bis zu dem Punkt, an dem man dann doch eine Schere braucht.Kann man die Triebe nicht mehr waagerecht umlenken, weil kein Raum mehr dafür ist, müssen diese wieder auf Kurztrieblänge gekappt werden. Man schneidet diese dann im Frühjahr etwa bis auf die Länge einer Handspanne zurück. Für diese Schnittmaßnahmen, ist der März die beste Zeit, also kurz bevor die Pflanzen austreiben.
Bis jetzt ging es um öfter blühende Kletterrosen. Bei Arten, die nur einmal im Jahr blühen, verhält es sich etwas anders. Während Erstere an jungen, einjährigen Trieben Blüten treiben, bilden die einmalblühenden Kletterrosen ihre Blütenknospen für das folgende Jahr überwiegend an den Trieben, die unmittelbar nach der Blüte heranwachsen. Falls man diese Rosen überhaupt einem Schnitt unterziehen will, wäre unmittelbar nach der Blüte, also Anfang Juli, der beste Zeitpunkt dafür. Andernfalls würde man viel Blütenholz vernichten. Im Grunde jedoch sollten diese Rosen ebenso wenig geschnitten werden wie öfter blühende Sorten. Ihre Triebe sind noch dünner und weicher. Sie lassen sie sich noch besser in eine möglichst waagerechte Position bringen oder spiralförmig um Pfeiler herum führen. Das gilt besonders für jene Sorten, die man in England rambler (engl. = Wanderer) nennt. Diese Rosen wollen sich frei, also ohne von einer Schere traktiert zu werden, entwickeln.